Leserbrief zu „Die grüne Zukunft der EZB“, FAZ Nr. 267 v. 16.11.2019, S. 30

Folgender Leserbrief wurde von der FAZ nicht veröffentlicht – deshalb erscheint er hier:

Im Artikel von Antonia Mannweiler entsteht der Eindruck, die EZB dürfte keine gesellschaftspolitischen Faktoren in ihrer Portfoliopolitik berücksichtigen. Das ist belegbar falsch. Daran ändert auch die ewige gleiche Argumentation angefangen von Hr. Weidmann über unzählige finanztechnokratisch geprägte Akademikerkolleg*innen bis hin zu politischen Meinungsäußerungen nichts. Das Gegenteil ist richtig, da die EZB als EU-Institution eine weltweit einzigartige Stellung unter den Zentralbanken einnimmt. Die Verträge von Lissabon machen die EU-Charta der Grundrechte zu direkt anwendbarem Primärrecht in allen europäischen Institutionen. Alle Tätigkeiten der EZB als europäische Institution müssen daher den kodifizierten Werten der Charta der Grundrechte entsprechen. Diese ist der nüchterne ordnungspolitische Rahmen, der bereits gilt!

Wir haben dies in einer wissenschaftlich Tagung Ende Oktober an der Goethe-Uni ausführlich dargestellt. Letzte Woche Montag wurde im parlamentarischen EU-Petitionsausschuss dazu die Petition 0429/2017 behandelt, mit dem Beschluss, dass mit Frau Lagarde dieser Sachverhalt alsbald diskutiert werden soll.

Goldenes Kalb (von Jens Galschiot auf Rathausplatz in Fredericia)
Goldenes Kalb (Kunstwerk von Jens Galschiot auf Rathausplatz in Fredericia), Foto: Bolsinger

Eine Aufhebung der Ethikblindheit der EZB kann Frau Lagarde demnach sofort durch negative Diskriminierung von unethischen Wertpapieren im Sinne der EU-Grundrechtscharta umsetzen. Damit wäre das Goldene Kalb eines vermeintlich zwingend ethikblinden Eurosystems ein für alle mal vom Sockel gestoßen. Sollte die EZB dies nicht umsetzen und die Europäische Kommission die Untätigkeit dulden, besteht die Möglichkeit den juristischen Weg im Rahmen einer Untätigkeitsklage und/oder Nichtigkeitsklage einzuschlagen.

Hintergrundinformationen finden sich unter www.wirtschaftsethik.biz/zentralbank