Lehre der Zukunft ins HEUTE transferieren: Vom regionalen Lehrlabor zur internationalen Laborhochschule!

Diese Woche war ich auf der Abschlussveranstaltung des Projektes Lehrlabor3. In dem ProjektBolsinger im Lehrlabor3 sollten gemeinsam Denkgrenzen überwunden werden, um hochschul- und statusübergreifend neue Ideen für das Lehren und Lernen zu entwickeln. Die Ergebnisse und Akteurinnen und Akteure des Projektes haben mich allesamt ermutigt – Macherinnen und Macher, die fähig und bereit sind, ihre Erkenntnisse zu teilen und weiterentwickeln zu lassen! Doch auch wenn dieses Projekt wirklich toll ist, existiert nach meinen eigenen Erfahrungen in unserem Hochschulsystem noch sehr sehr sehr viel Entwicklungspotenzial….

Was habe ich selbst erlebt? Und zu welchem Schluss bin ich gekommen?

Als frisch berufener Professor und freiwilliger Teilprojektleiter eines BMBF-Forschungsprojektes ist mir damals sofort eine der größten Ineffizienzen des Systems ins Auge gefallen. Anstatt mit voller Kraft des angestrebte Ergebnis des Forschungs- und Entwicklungsauftrags zu verfolgen, war meine Arbeitszeit ungelogen mit 50% unproduktiver Verwaltungsarbeit im Rahmen des Projektes belegt. Und dabei habe ich unfassbar hohe Mehrarbeit geleistet, um das Projekt trotz widrigster Bedingungen mit meinem Kollegen zusammen zum Erfolg zu führen und freiwillige Begleitforschung umzusetzen, ob es überhaupt als nutzbringend bezeichnet werden kann. Ja – es hat sich gelohnt, denn alle folgenden Projekte haben unsere damaligen Ideen weitergeführt und meine damalige Vision ausgerollt. Nun steht ein „Selbsteinschätzungsportal“ zur Verfügung, das Studierenden erste Orientierung über Studiumsoptionen an der THWS bietet und einige Kolleginnen und Kollegen denken weiter nach vorne.

Als Prodekan der größten Fakultät der THWS mit rund 2000 Studierenden haben sich diese Erfahrungen vertieft – zur unproduktiven Verwaltungsarbeit in unzähligen Bereichen kamen wenig einsichtige Budgetherausforderungen in vielen Bereichen hinzu. Auch wenn die professoralen Expertinnen und Experten durch ihre Fachexpertise genau wussten, was für den Lehrprozess und die Kompetenzentwicklung der Studierenden wichtig ist, konnten viele Lehrinnovationen gar nicht oder nur mit höchstem Abrechnungsaufwand realisiert werden.  Dabei war nicht die Menge von Geld selbst das Problem – die Gesamtbudgetausstattung an Bayerischen Hochschulen war und ist exzellent! Ich mag gar nicht mehr daran denken, wie viele Nächte wir investiert haben, um einen wichtigen Teil unserer Lehrphilosophie mit dem Würzburger Kompetenzentwicklungsmodell „ready to act“ zu realisieren und rechtskonform und verwaltungsgerecht zu gestalten. Die State-of-the-Art-Durchführung von Teamtrainings außerhalb der Hochschule mit Studierenden als Grundlage professioneller Projektzusammenarbeit in unseren Studienschwerpunkten erzeugte seinerzeit mehr Organisationsaufwand als schlussendlich Zeit mit den Studierenden in den jeweiligen Veranstaltungen verbracht wurde. Was war das eigentliche Problem? Anforderungen der Lehre und Kompetenzentwicklung wurden in ein Prokrustresbett von Verwaltungsanforderungen aus alten Zeiten gepresst und wenn sich jemand hinter einem Paragrafen versteckt hatte, wurden manche Optionen überhaupt nicht umgesetzt. Die Motivation des Lehrpersonals ist nicht unendlich und sobald ein Lehrkonzept in der operativen und administrativen Vorbereitung mehr Zeit verschlingt, als die Lehre selbst, verabschieden sich selbst frisch berufene Leistungsträger innovativer Lehre aus derartigen Projekten. Doch auch hier hat es sich gelohnt! Unsere Studierenden bekommen nun seit vielen Jahren wesentlich mehr mit, als reines Wissen – sie kennen sich selbst besser als Studierende, die nur Inhalte in eng abgesteckten Lehrdeputaten präsentiert bekommen. Sie können professionell im Team miteinander Herausforderungen der Realwelt bewältigen. Darauf bin ich auch heute noch Stolz! Meine Zeit als geschäftsführender Dekan der selben Fakultät erlaubte mir dann einen noch tieferen Einblick in unzählige für den Erfolg wichtiger Hochschulbereiche und -prozesse. Aus den vier Jahren 60-Stunden-Woche könnte ich locker einen ganzen Studiengang gestalten 🙂 Wer daraus persönliche Impulse hören möchte, darf mich gerne ansprechen oder für einen anregenden freien Vortrag ansprechen. Auch für diesen Lebensabschnitt kann ich sagen, dass sich dieses Investment gelohnt hat: um- und neugestalten, fördern, entwickeln, umsetzen und alles für nichts weniger als die Zukunft unserer Gesellschaft. Denn Studierende, die heute unsere Hochschulen kompetent verlassen, prägen Wohl und Wehe unserer ganzen Welt!

Uni und Hochschule sind politische Organisationen und genau so entwickeln sie sich auch – nicht wirklich nur fachlich, technologisch bestimmt, sondern zum aller größten Teil politisch – mit allem was dazugehört und in allen Bereichen! Administrative Anforderungen sind dabei ein wunderbares Spielfeld, um politische Motivation hinter vermeintlichen Verwaltungsanforderungen zu verstecken, oder auch anders herum unpolitisch zu verpacken. Um die ganze Sache abzukürzen: Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass eine graduelle Verbesserung all dieser Bereiche nicht in der erforderlichen Zeit möglich ist – in keiner deutschen Uni oder Hochschule! Drei meiner Kinder studieren aktuell an meiner alten Alma Mater und erleben immer noch die selben Probleme, mit denen auch ich vor Jahrzehnten als Student konfrontiert war…  Die INTERNATIONALE Hochschullandschaft ist in der heutigen Zeit unser Wettbewerbsbenchmark und entwickelt sich rasant. Jenseits von Hochschulstrukturen entstehen Puzzleteile, die zusammengesetzt für Disruption höherer Bildung sorgen werden. Was wir wirklich brauchen ist neues HANDELN in neuen Strukturen und mit den neuesten Technologien. Dazu müssen wir Hochschule komplett neu ausprobieren, anstatt nur ein paar kleine Effizienzgewinne in den bestehenden Hochschulen anzustreben.

Der Teller, auf dem dieses Gericht des Erfolges kredenzt wird, sind der politische Wille und die politisch gesetzten Rahmenbedingungen. Ich bin froh, dass wir in Bayern hier den perfekten Teller vorgesetzt bekommen haben, auf dem wir unsere Kreationen zubereiten und anrichten können: das geniale Bayerische Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG)! Die Experimentierklausel in Art. 126 ist neben viele anderen Veränderungen ein perfekter Nährboden, die Zukunft ins Heute – nach Bayern – zu holen!! Wir müssen mutig sein und völlig neue internationale und zu 1.000 % auf Studierendenbedürfnisse und -kompetenzbildung ausgerichtete Erfolgsmodelle gestalten und in der Realwelt erproben, wenn wir weiterhin internationale Spitzenpositionen in höherer Bildung besetzen wollen!

Ein kleines Samenkorn dazu hat das LehrlaborProjekt gepflanzt. Danke! Bitte mehr davon – jenseits aller begrenzenden Strukturen! Jetzt ist die Frage: Wie kommen wir vom regionalen Lehrlabor zur internationalen Laborhochschule? Ich bin dabei, wo immer ich mit meinen Erfahrungen hilfreich sein kann. Sie auch Frau Kollegin, Herr Kollege?