Professionelles Wertemanagement in der Praxis – Teil II: Nachhaltigkeit, Digitalisierung und eine Definition.

Wertemanagement lebt von den DetailsNach dem letzten Artikel zu Wertemanagement wurden Fragen an mich herangetragen wie „Reicht es nicht, einfach Nachhaltigkeit einzuführen? Im Nachhaltigkeitsmanagement stecken doch auch schon genügend Werte drin?!“ oder „Brauche ich für die erfolgreiche digitale Transformation ein Wertemanagement? Das ist doch eine reine Technologiefrage?!“ Danke für diese wichtigen Fragen! Die richtigen Antworten darauf sind absolut erfolgskritisch, wenn Nachhaltigkeit und Digitalisierung nicht nur Me-Too-Projekte ohne Differenzierungskraft sein sollen. Deshalb möchte ich hierzu zunächst einige fundamentale wertvolle Tipps geben, bevor in weiteren Beiträgen die einzelnen Schritte im Wertemanagementkreislauf erläutert werden.

Passend zu den Fragen habe ich diese Woche Kurse des Umweltprograms der Vereinten Nationen und der Sustainable Development Group am United Nations System Staff College absolviert.
Die professionellen Inhalte zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung basieren allesamt auf der Voraussetzung starker Werte: in Nationen gleichermaßen wie in Unternehmen. Leider kommt genau der Aspekt bei den UN-Kursen viel zu kurz! Derselbe Fehler, den auch viele Unternehmen machen. Dabei hatten die Vereinten Nationen den Zusammenhang von Wertegrundlagen und Nachhaltigkeit 2014 erstmals äußerst deutlich sichtbar gemacht. Auf Seite 29 des damaligen vorläufigen und weltweit ersten „Global Sustainable Development Report 2015“ findet sich eine Darstellung, wie die persönliche Definition von nachhaltiger Entwicklung durch das zugrundeliegende Werteset beeinflusst wird: Was soll nachhaltig sein und für wie lange? Was soll entwickelt werden, wohin und bis wann genau? Antworten auf diese Fragen haben unmittelbar mit den verinnerlichten Werten der Entscheiderinnen und Entscheider zu tun! Analog verhält es sich mit der Digitalisierung, die ebenso einer vollständig wertegetriebene Dynamik unterliegt. Deshalb finden wir auch in unterschiedlichen Kulturkreisen grundverschiedene Ansätze zur Regulierung der Digitalisierung: die Welten der USA, der EU und China beispielsweise sind völlig verschieden – allein beim Datenschutz wird das sofort sichtbar.

Wenn es also um Nachhaltigkeit oder Digitalisierung geht, sind die Werte der wichtigsten Stakeholder – zumindest der Mitarbeitenden und Kundinnen und Kunden – absolut erfolgsrelevant. Es geht demnach nicht in erster Linie um ESG-Kriterien, Nachhaltigkeitsratings, CSR-Maßnahmen und Omnikanalansätze im Full Digital Service, sondern um die Werte die diese Themenkreise aus Sicht der Zielgruppe wirklich prägen. Erst wenn wir wissen, welche KPV (Key Performance Values) für die Digitalisierung oder das Nachhaltigkeitsverständnis herangenzogen werden, können wir passende und vor allem auch funktionierende Changeprojekte dazu gestalten, die auch als zielführend, ambitioniert und glaubwürdig betrachtet und bejaht werden. Alles andere wäre nur eine weitere normativ verlangte Änderung von außen, die kein Gefühl der Einzigartigkeit und der intrinsischen Sinngebung erzeugen kann. Es geht demnach immer um die beteiligten Menschen und deren Vorstellungen! Diese zu entdecken und in einem professionellen Prozess zusammenzuführen braucht Zeit! Teilhabe und Zeit sind die wichtigsten Zutaten bei der Wertedefinition, die schlussendlich automatisch zu einem einzigartigen Nachhaltigkeitsverständnis mit eigenen Schwerpunkten und zu Digitalisierungsanstrengungen in den als wichtig empfundenen Bereichen führen.

Ein gutes Beispiel, wie Werte eine einzigartige Nachhaltigkeitsstrategie prägen können, liefert die Umweltbank AG. Dort haben wir auf Basis von nur vier Kernwerten und dem daraus folgenden Bekenntnis zu den Sustainable Development Goals klare Anlagekriterien, Finanzierungsgrundsätze, Ratings für Kundenanlagen und schlussendlich eine UmweltGarantie erarbeitet und eingeführt. Neben den Vorstellungen der Mitarbeitenden und Kundinnen und Kunden, waren natürlich auch die der Aktionärinnen und Aktionäre relevant. Deshalb wurde die neue Präambel der Satzung auch in einer Hauptversammlung mit sagenhaften 99% angenommen: „Die UmweltBank fördert die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft mit dem Ziel, eine lebenswerte Welt für kommende Generationen zu erhalten und zu schaffen. Die Bank orientiert sich bei ihrer Geschäftstätigkeit an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Insbesondere leistet sie Beiträge zur Verwirklichung von nachhaltigen Städten und Gemeinden, von bezahlbarer und sauberer Energie und zum Klimaschutz. Dabei achtet sie auf nachhaltige Produktion und Konsum sowie auf Geschlechtergerechtigkeit. Ehrlichkeit und Transparenz sowie Menschenorientierung sind handlungsleitende Werte. Ein stabiles ökonomisches Fundament ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit.“

Diese Bank ist damit die erste Bank weltweit, die sich im gesamten Kerngeschäft und darüber hinaus zum Nachhaltigkeitsverständnis der Vereinten Nationen bekennt. Kein Wunder, dass das im Markt als State-of-the-Art gilt und als Vorbild für viele andere dient. Auch bei diesem Prozess wurde mit meiner Beteiligung als Umweltratsvorsitzender die nötige Zeit investiert und die intensive Teilhabe der Stakeholder realisiert. Kein Wunder, dass dann auch der Beitritt zur Global Alliance for Banking on Values erfolgte, bei der nur „echt“ werteorientierte und glaubwürdige Weltverbesserer nach einem intensiven Prüfprozess aufgenommen werden.

Worum geht’s also beim Wertemanagement? Um Sinn, Differenzierung, Gemeinschaft, Teilhabe und Weiterentwicklung! Meine Definition in Anlehnung an Erpenbeck, J. 2018, S. 4 schaut deshalb nach einiger Praxiserfahrung genau so aus:

Unter Wertemanagement versteht man die dauerhaft institutionalisierte, regelmäßig reflektierte und nachhaltige Nutzbarmachung einer spezifischen Wertekultur zur differenzierenden Verwirklichung der aktuellen Sinngebung einer Organisation.

Als System zielgerichteter Maßnahmen identifiziert, reflektiert, verändert und implementiert oder konserviert Wertemanagement gezielt ein spezifische Wertekultur, um die Verwirklichung einer konkreten Unternehmensvision zu begünstigen.

Wertemanagement bedient sich in seiner auf Normativität ausgerichteten Funktion insbesondere diskursethischer Verfahren, um der Wertedynamik auf individueller, teambezogener, organisationsbezogener und umweltbezogener Ebene und der individuellen Entscheidungsfreiheit des Menschen dauerhaft gerecht zu werden.

Vor allem im letzten Absatz der Definition unterscheide ich mich von allen anderen Kolleginnen und Kollegen. Ich bin fest davon überzeugt, dass übergestülpte Werte Dritter keine langfristige Wirkung erzeugen können. Es ist zwingend mit Respekt vor den Vorstellungen aller Beteiligten ein gemeinsames Fundament zu definieren, das die intrinsische Motivation aller zusammenführen kann. Darin liegt die Kraft einer guten gemeinsamen Zukunft – und diese sorgt in erster Linie für die erfolgreiche Umsetzung der Werte!

In den nächsten Beiträgen gehe ich dann (endlich :-)) auf die einzelnen Schritte und Ihre weiteren Fragen ein – eine Mail genügt …